Heute morgen bin ich extra früh aufgestanden, um mir dieses neue Stern-Magazin namens
View - Die Bilder des Monats zugelegt.
Von der Fernsehwerbung gestern inspiriert dachte ich mir, das sei doch mal etwas nettes, unterhaltsames. So eine Art Monats-Flickr, schöne Fotorohkost ohne Schnörkel und mit lustigen, freundlichen, atmosphärischen, begeisternden oder aussergewöhnlichen Fotos. Vor allem aber etwas neues und noch nicht dagewesenes, so eine Fotostrecke ohne viel Wert auf Text. Also den Playboy mal ausgenommen.
Nach der Lektüre des Vorwortes war ich erstmal etwas ernüchtert - es gibt also doch Text zu den Artikeln. Schade, die Extra-Portion Mut für ein komplettes Bilderwerk war wohl gerade aus. Zudem noch ein sanftweichgespült-formuliertes Allerwertsvorwort über die Macht der Bilder - da hätte man sich auch etwas weniger schwammig und weniger klischeehaft formuliertes wünschen können.
Die nächste Ernüchterung folgt, als der Inhalt erst 8 Blätter (16 Seiten!!!!) anfängt. Bilder schön und gut, aber man hätte mir ruhig sagen können dass damit vorwiegende Werbe-Botschaften gemeint sind. Ist eine Erstauflage eines Stern-Spinoffs so teuer, dass man nicht gerade beim Erstwerk mit weniger Werbung protzen könnte?
Die dritte Ernüchterung im Bunde meiner Bahnfahrt waren dann die eigentlichen Fotos. Schon klar, dass spektakuläre Highlight-Fotos nicht gestochen scharf abgebildet werden können. Die Bildqualität, die View aber hier bietet ist unter aller Sau. Anscheinend werden 320x240 Pixel Vorlagen A4-füllend hochgezogen ohne Rücksicht auf JPEG-Artefakte. Ich schätze gut 2/3 aller Fotos könnten auch locker Handybilder sein. Da hätte ich mir dann lieber kleine Bilder gewünscht, die dafür nicht so schlecht aussehen.
Weiter geht es mit meiner Kritik an der Auswahl der Bilder: Während ich eher von Optimismus bei der inhaltlichen Gestaltung werbetechnisch geblendet war, wird hier der typische Nachrichten-Horror gezeigt: Explodierende Flugzeuge, Autos, Iran/Irak-Massen, tragische Unfälle und leidende Personen. Ich will mir das ja nicht alles wegdenken und ignorieren, aber ich finde man könnte sich auch ruhig mal trauen ein positives Monats-Magazin herauszugeben was die Lebensfreude betont - und nicht in Lifestyle-Magazinen ausartet. Die Chance, die View bei mir hatte, hat es mit dieser Bildauswahl jedenfalls zunichte gemacht.
Hinzu kommen die triefend subjektiven, euphorisch-ideologisierenden Textblöcke oder Artikel zu z.B. Sean Penn und Maradona. Auf einige Seiten ausgebreitet werden diese beiden Personen in höchsten Tönen gelobt und deren überstrahlende Helligkeit als Absolutes Maß der Dinge angepriesen. Nebensächlich wird auf eskalierende Drogenexzesse hingewiesen, die die Personen aber nur noch stärker geprägt haben und noch tollere Menschen aus ihnen gemacht haben. Herrje, so einen Schreibstil traue ich Bild-Journalisten zu, aber in einem seriösen Magazin könnte man durch ruhig etwas doppelsichtig herangehen und nicht noch eine Schicht des modernen Heiligentums mit Superstars heranzüchten.
Ich bin enttäuscht. Aber mit View auch erst halbfertig. Vielleicht überrascht mich noch etwas in der zweiten Hälfte des Magazins, aber insgesamt bin ich extrem enttäuscht über die mißlungene Chance.