Montag, 25. August 2003
Zurück aus Terenten/Tirol
Nach beinahe einer Woche Urlaub bin ich aus Südtirol (Terenten/Pfunder Berge) wieder zurück. Sehr viele Fotos gemacht, und der etwas ausführlichere Reisebericht ist im gesmaten Beitrag zu sehen
Montag bis Mittwoch habe ich erstmal gemütlich bei Emba verbracht. Während Sie arbeiten gegangen ist, habe ich mich einfach mal an die Playstation2 gesetzt und nach langer Zeit endlich Primal durchgespielt. Etwas im Stil von TombRaider, nur viel cooler. Aber darum geht's ja garnicht
Bereits eine Woche vorher habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich meinen Schlafrythmus einstellen muss, um in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag auch die Autofahrt durchstehen konnte. Wir einigten uns letztlich auf eine Abfahrt um 4 Uhr morgens. Nachdem also alles gepackt war, haben wir uns recht früh auf's Ohr gehauen und sind um 3:45 aufgebrochen.
Wir, das waren:
Aufgeteilt in zwei Autos (Opel Astra Kombi und Peugeot 206) übernahm Vicky die erste Strecke und ich konnte mich im Auto noch was ausstrecken.
Nach zahlreichen Stopps+Pipipausen, einigen Fahrerwechseln und lustigen Gesprächen kamen wir dann - wie geplant - gegen 14 Uhr ins Innsbruck an. Dort wollten wir uns auf einem Zeltplatz niederlassen und am folgenden Freitag morgens aufbrechen Richtung Terenten, wo wir den Rest der Familie treffen sollten.
Als wir dann die Kurverei in Innsbruck bestanden haben, fanden wir auch tatsächlich einen Campingplatz am Fuß des Gebirges, bauten die Zelte auf und hauten uns in total überhitzten Zelten erstmal ein Stündchen aufs Ohr. Zumindest für mich war das auch richtig notwendig, mein Schlafrythmus ist schon was störrisches.
Nun wollten wir also die Innsbrucker Stadt erkunden, und konnten zu sechst sehr günstig in einem Shuttle-Taxi in die Innenstadt chauffiert werden. Die Landschaft in Innsbruck ist für einen an die eher hügelige Rheinlandschaft gewöhnten Menschen schon sehr erhaben: Riesige, graue Gebirgsketten mit vereinzelten Holz- und Steinhäusern. Alles wirkt irgendwie rückständig, verschlafen und einfach...unverbraucht. Für mich war schnell entschieden, dass man hier prima die Landschaft auf sich wirken lassen kann, aber mehr als 2 zusammenhängende Wochen meines Lebens könnte ich dort nicht verbringen.
Die Innenstadt von Innsbruck ist eine Mischung aus sehr heruntergekommenen renovierungsberüftigen Bauten, zahlreichen Baustellen und Umleitungen und einger sehr schön hergerichteter Bauten die sich perfekt ins optische Klischee von Österreich einreihen. Die erste Gasse, die wir durchwanderten, war dann durchsetzt von Touristenbuden, wie man sie eigentlich nur an den Flaniermeilen von Mallorca erwarten würde. Fiese kleine Porzellanfiguren, Pseudo-Alpenhüte, Plastik-Spazierstöcke, Waffenimitate und T-Shirts, die die Welt nicht braucht. Been there, done that, got the T-Shirt.
Da es mittlerweile ca. 17 Uhr war, trieb uns der Hunger zuerst in einen versorgenden Supermarkt und dann auf die Nahrungssuche. Nach einer als endlos anmutende Odysse vorkommender Erkundungstour entschieden wir uns dann für einen zünftigen Dönerstag in einer architektonisch-geplanten Wohnsiedlung.
Wie gehofft, beglückte uns pünktlich nach dem Essen der Regen, und nach kurzer Tour durch eine Art 'Shopping Mall' entschieden wir uns dann wieder für die Rückfahrt im Elvis-Presley-beschallten Taxi-Shuttle.
Als alter Anti-Camping-Hase plagten mich schon Sorgen um die nassen Zelte, die bei Ankunft natürlich voll erfüllt wurden. Bis gut 21 Uhr abends mussten wir die Zelte neu spannen, mit Zewa-Wisch-und-Weg auslegen und uns in angenehm klamme Schlafsäcke hüllen. Zumindest vom Platz her waren wir mit 3 Zelten gut ausgestattet.
Nach dieser (man darf sie wohl unangenehm feucht bezeichnen) Nacht wollten wir eigentlich gegen 9 Uhr über den Brennerpass aufbrechen, aber mussten dann noch Brötchen besorgen. Auf der Suche nach dem Supermarkt durfte ich dann mein erstes ABS-Erlebnis verzeichnen - Adrenalingestärkt konnten wir dann endlich einige Semmeln ergattern, und nach dem Zusammenpacken aufbrechen. Natürlich musste ich mich wenige Sekunden vor Abfahrt nochmal genüßlich derart ins Auto schmeißen, dass mein Knie Bekanntschaft mit einer dort ansässigen Biene macht. Also flugs den Stachel entfernt, Männlichkeit gezeigt (sprich: Motzen, fluchen und wehleidig sein) und sich wieder erinnert, warum man Bienenstiche nicht toll findet. Also ist mein "13-Jahre-ohne-Bienenstich"-Rekord eingestellt und lässt den "15-Jahre-ohne-Kotzen"-Rekord auf weiter Flur allein.
Ohne Stau und Probleme konnten wir dann weitere 3 Mautstellen überwinden, Landschaft genießen und nach etwas kurvenreicher Auffahrt am Parkplatz der Pfunder Berge in Terenten eintreffen. Dort ließen wir uns an einem total klaren Bergfluß mit gigantischen Mutanten-Mörder-Fliegen nieder und stärkten uns für den Aufstieg. Kurz darauf traf der Rest der Familie (Joachim, Beate und Jonathan) ein - Joachim hatten wir den Ausflug überhaupt erst zu verdanken, der uns auf diese außergewöhnliche Geburtstagsfeier einlud. Auch an dieser Stelle nochmal einen herzlichen Dank für dieses Erlebnis!
Nun wurden die Wanderschuhe geschnürt, die Autos umgeladen und mit dem Blick in die grünen Berge begann der Anstieg. Zwar hatte ich etwas Reservationen, dass mein leicht angeschlagenes Rechtes Knie mir die Bergtour vermasseln könnte, aber die erste Zeit ging es doch sehr gut. Nur der gesamte Körper war bereits nach 5 Minuten Fussmarsch sehr angestrengt.
Der gesamte Aufstieg auf die Zielhöhe von 2300 Metern (Tiefrasthütte) sollte gut 3 Stunden dauern, so die Erfahrungen von Familie Koopman im Vorjahr, als diese Hütte als Geburtstagsfeierlokalität ausgesucht wurde. Das erste Drittel war auf einer breit ausgebauten, nur leicht steinigen Straße. Zur Linken und zur Rechten machten sich bereits Kühe breit, die Sonne knallte stark, aber nicht zu unangenehm, herab. Im zweiten Drittel wurde es dann schmaler und serpentiniger, und die Bewaldung wurde auch etwas dichter. Insgesamt hatte man aber immer einen weiten Ausblick auf die Berge, konnte auch irgendwann die Dolomiten erkennen.
Auf halber Strecke machten wir an einem kleinen Flussrinnsal halt, und füllten unsere Wasserflaschen mit frischem Quellwasser. Mit ca. 5-8 Grad war das Wasser seeeeehr erfrischend kalt, klar, aber auch etwas säuerlich. Dort kam uns dann auch ein Italiener entgegen, der in gebrochenem Denglisch erzählte, wo er wohne. Und uns wurde eine Weisheit vermittelt, die im Laufe der Reise immer wieder zur Sprache kam: "There: Dolomites! See? Rocks! There! Better! Dolomites better, Rocks!". Liest sich geschrieben total blöd, aber für die Beteiligten brachte es immer wieder ein Schmunzeln hervor.
Das letzte Drittel begann dann an einer kleinen Rasthütte. Diese wurde treffend als "Täuschhütte" tituliert, weil man dort bereits denkt man hätte es jetzt geschafft. Denn geschafft war man an der Stelle schon wirklich. Es war mittlerweile gut 17 Uhr, und wir gingen nun in großsteinigem Gebiet oberhalb der Waldgrenze weiter voran. Obwohl die ganze Gruppe nun doch die Kraftreserven anbrach, kamen wir gemeinsam gut voran und waren dann tatsächlich 3,5 Stunden nach Aufstieg an der Hütte angelangt. Mit knurrendem Magen und beinah gelähmten Füßen trennten wir uns von den Schuhen und erkundeten die an einem ca. 60-70m langen, kreisrunden Bergsee gelagerte Berghütte. Dort waren ca. 9 Schlafräume für insgesamt gut 80-90 Personen. Insgesamt waren schätzungsweise 25 Personen dort oben im Kessel der Berge. Nachdem wir einfachen Menschen die 12 Grad kalte Dusche genossen hatten, und Iron-Man David eine Runde im Bergsee geschwommen war, liessen wir uns mit Spagetti, Salat und Röstkartoffeln fürstlich bewirten.
Abschliessend sangen wir einige Berg- und Gemeindelieder und lernten noch den ein oder anderen Mitbergsteiger kennen, mussten dann aber auch zeitlich unserer regenerativer Energiegewinnung den Schlaf zollen. Denn der nächste Tag war gut vorbereitet mit einer Tagesbergtour zur Eidechsenspitze bei 2700m Höhe. Diese Tour wurde uns als Bergamateueren als einfachste ans Herz gelegt. Ja, klar.
Der nächste Morgen begann mit Frühstück und einer Standpauke des Bergwirtes, warum die von uns vorbereiteten Lunchpacks eher illegal sein. Doch auch sowas überstehen wir, und brachen gegen halb 10 unsere Tour an. Niemand musste sich mit allzuschweren Blasen aufmachen, auch Gliederschmerzen und Muskelkater blieben zuhause.
Die Tagestour schriftlich wiederzugeben dürfte unmöglich sein, gab es doch zu viele schöne Gespräche, Situationen und vor allem das Genießen der Umgebung. Bereits nach einer Stunde gelangen wir jedoch zu rutschigerem und steilen Pfad, und wir überlegten schon, die Tour in zwei Grüppchen fortzusetzen, da der Rückweg immer gefahrvoller erschien, je höher man kam. Doch wir allen bissen die Zähne zusammen, und brachten auch die Ängstlicheren unter uns in der Gruppe immer weiter voran. Schließlich kam es dann zu einer Bergsteilwand, die mit allen zur Verfügung stehenden Extremitäten bekraxelt werden sollte. Einige unserer Gruppe konnten das nur mit schlotternden Beinen und zittrigen Armen, und vermieden den Blick nach unten. Dennoch hielt keiner ein, und langsam und beschützt durch andere kam auch jeder an der Wand vorbei. Und diese Wand hat mir erst Geschmack auf mehr gemacht - war die gerade Wegstrecke für mich doch irgendwie sehr nach Sonntags-Spaziergang vorgekommen, so war dies nun richtiger Erlebnisurlaub mit Wagemut. Ich weiß nicht, wie ich es am besten beschriebe ohne großkotzig zu klingen, aber ich bin dort schon recht sicher und gut voran gekommen und habe meiner Emba, die eher weniger Trittsicherheit besaß (Schatzi, dieses Wort ist nur für *dich* :-), den Weg schützend bereitet. Zwar hätte ich gerne den Weg etwas verlassen und wäre was schneller und "gefährlicher" voran geschritten, aber so in der Gruppe den Weg zu beschreiten war auch ein wunderschönes Erlebnis.
Nachdem wir dies überstanden hatten war auch der Aufstieg zum Gipfelkreuz beinahe ein Leichtes. Tatsächlich erleichtert, nachdem die ganze Anstrengung gewichen war, ließen wir uns auf dem Wipfel nieder. Und da hat dann auch eher meine Höhenangst zugeschlagen: Hängend an einer Steilwand alles kein Problem; sobald mir aber der Halt zu den Seiten fehlt, kriege ich soviel Panik, dass ich mich setzen muss. Was auf dem Gipfel total störte waren die dutzenden Bienenähnlichen Fliegen und normale Fliegen. Nie hätte ich gedacht, dass in 2700m soviele Fliegen unterwegs waren! Der Gipfel war gut 40x20m breit, und schätzungsweise waren dort 20-30 Fliegen unterwegs. Und oberhalb von uns mehrere Paraglider, und sogar auch eine Krähe flog Ihre thermischen Runden.
Der Rückweg gestaltete sich wesentlich einfacher als befürchtet, und der erste Abstieg zeigte uns, dass es auch bergab nicht gerade leicht geht. Zwar ist der Weg abwärts für den Gesamt-Metabolismus nicht wirklich anstrengend, aber Knie und Füße werden auf die Probe gestellt. Groß war meine Freude auf den Rückweg über den Steilpaß, der auch diesmal von den anderen besser überwunden wurde. Entsprechende Fotos folgen!
Da wir auf dem Rückweg an zwei Bergseen vorbeikamen, wollten wir dort unsere Flaschen auffüllen. David und ich trauten uns als einzige den Abstieg zu, und für mich war dieser Abstieg der absolute Ausflugshöhepunkt. Ohne Wegmarkierung und mit wackelnden Steinen, teilweise hängend abzusteigen ist einfach ein großartiges Gefühl. Man konzentriert sich nur auf den Weg, schaltet total ab, und hat weder Sorgen noch Gedanken. Man ist irgendwie verbunden mit der Landschaft und geht darin auf. Ganz herrlich, und ich glaube David als Extrem-Grenzgänger hat es auch viel Spaß gemacht. Er erzählte mir, auch durchaus ganz alleine hier rumkraxeln zu wollen, was für mich aber dann doch etwas zu isoliert wäre.
Das Bergseewasser letztlich war leider nicht so klar wie es von der Ferne schien, aber wir füllten dennoch eine Flasche damit. Als wir wieder aufgestiegen waren tranken wir zwar eher zögerlich, denn die auf der Wasseroberfläche schwimmenden Tiere, zahlreiche Minikröten und "Flusen" machten schon etwas Bange. Aber was ein wahrer Bergsteiger ist, erfrischt sich auch daran.
Mit sehr schmerzenden Knien schafften wir dann auch tatsächlich den gesamten Rückweg ohne Vorkommnisse und kamen unverletzt und gleichzeitig in der Hütte an.
Was folgte war ein leckeres Abendessen und Gemeinsamkeit, einige Lieder auf dem Balkon und stark einsetzende Müdigkeit.
Am nächsten Tag ging es zeitig dem Parkplatz entgegen. Der Abstieg gestaltete sich dann für mich doch sehr schwer; eigentlich hatte ich mit einem Problem-Rechts-Knie gerechnet, aber da mein links Knie die Belastung wohl von vornerein abgenommen hat, war es genau dieses Knie, was dann Probleme machte. Vorstellen kann man sich das in etwa so, dass wenn das Knie ein Scharnier mit einer Schraube zwischen den Gelenken wäre, die Mutter der Schraube schräg versetzt ist und von der Seite ins Scharnier drückt. Genug der bildlichen Worte: Es hat mir weh getan.
Dank der zwei Wanderstöcke und der rücksichtigen Gemeinschaft haben wir es dann aber natürlich auch zum Parkplatz geschafft. Schnell wurde nach Umpacken des gesamten Gepeacks in einem Restaurant das Abschiedsessen eingenommen. Als Pizza-Fan hätte ich es beinahe geschafft meine erste italienische Pizza zu geniessen, aber die Pizzaofenöffnungszeit war leider erst einige Stunden später.
Am Parkplatz dort verabschiedeten sich die zwei Gruppen: Während Emba, Joachim, Beate, Jonathan und ich gen Heimat aufbrachen, machte sich das andere Grüppchen auf nach Kroatien, um dort noch eine Woche Strandurlaub zu genießen. Aber ich glaube, so ein purer Campingurlaub hat für mich einfach zu wenig Komfort.
Was nach der anstrengenden 9 Stunden Autofahrt zurückbleibt ist eine festgebrannte Erinnerung an ein erhebendes, glückliches und wunderschönes Wochenende mit meiner geliebten Emba und einer Großfamilie. Zwar werde ich mich sicher nicht zum euphorischen Bergurlauber bekehren, aber etwas Blut geleckt habe ich schon. Auch das Ski-Fieber hat mich aufgrund der Bergnähe wieder gepackt, und steht jetzt mit einem Ausrufe+Emba-Zeichen auf meiner To-Go-List. Wer weiß, vielleicht wird sich ein solcher Urlaub (mit gesteigertem Schwierigkeitsgrad, gell Davi!) bald wiederholen. Ich würde es jederzeit wieder tun wollen, trotz Abstiegsschmerzen.
Vielen, vielen Dank an Joachim und die Familie für diese Einladung!
(Bilder folgen, sobald wir alle gemeinsam die Bilder (gut 100!) durchgeschaut haben, denn vorher möchte auch ich mir die Bilder nicht ansehen)
Bereits eine Woche vorher habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich meinen Schlafrythmus einstellen muss, um in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag auch die Autofahrt durchstehen konnte. Wir einigten uns letztlich auf eine Abfahrt um 4 Uhr morgens. Nachdem also alles gepackt war, haben wir uns recht früh auf's Ohr gehauen und sind um 3:45 aufgebrochen.
Wir, das waren:
- Emba und ich
- Vicky (Schwester von Emba) und Eike
- Sophia (Schwester von Vicky) und David
Aufgeteilt in zwei Autos (Opel Astra Kombi und Peugeot 206) übernahm Vicky die erste Strecke und ich konnte mich im Auto noch was ausstrecken.
Nach zahlreichen Stopps+Pipipausen, einigen Fahrerwechseln und lustigen Gesprächen kamen wir dann - wie geplant - gegen 14 Uhr ins Innsbruck an. Dort wollten wir uns auf einem Zeltplatz niederlassen und am folgenden Freitag morgens aufbrechen Richtung Terenten, wo wir den Rest der Familie treffen sollten.
Als wir dann die Kurverei in Innsbruck bestanden haben, fanden wir auch tatsächlich einen Campingplatz am Fuß des Gebirges, bauten die Zelte auf und hauten uns in total überhitzten Zelten erstmal ein Stündchen aufs Ohr. Zumindest für mich war das auch richtig notwendig, mein Schlafrythmus ist schon was störrisches.
Nun wollten wir also die Innsbrucker Stadt erkunden, und konnten zu sechst sehr günstig in einem Shuttle-Taxi in die Innenstadt chauffiert werden. Die Landschaft in Innsbruck ist für einen an die eher hügelige Rheinlandschaft gewöhnten Menschen schon sehr erhaben: Riesige, graue Gebirgsketten mit vereinzelten Holz- und Steinhäusern. Alles wirkt irgendwie rückständig, verschlafen und einfach...unverbraucht. Für mich war schnell entschieden, dass man hier prima die Landschaft auf sich wirken lassen kann, aber mehr als 2 zusammenhängende Wochen meines Lebens könnte ich dort nicht verbringen.
Die Innenstadt von Innsbruck ist eine Mischung aus sehr heruntergekommenen renovierungsberüftigen Bauten, zahlreichen Baustellen und Umleitungen und einger sehr schön hergerichteter Bauten die sich perfekt ins optische Klischee von Österreich einreihen. Die erste Gasse, die wir durchwanderten, war dann durchsetzt von Touristenbuden, wie man sie eigentlich nur an den Flaniermeilen von Mallorca erwarten würde. Fiese kleine Porzellanfiguren, Pseudo-Alpenhüte, Plastik-Spazierstöcke, Waffenimitate und T-Shirts, die die Welt nicht braucht. Been there, done that, got the T-Shirt.
Da es mittlerweile ca. 17 Uhr war, trieb uns der Hunger zuerst in einen versorgenden Supermarkt und dann auf die Nahrungssuche. Nach einer als endlos anmutende Odysse vorkommender Erkundungstour entschieden wir uns dann für einen zünftigen Dönerstag in einer architektonisch-geplanten Wohnsiedlung.
Wie gehofft, beglückte uns pünktlich nach dem Essen der Regen, und nach kurzer Tour durch eine Art 'Shopping Mall' entschieden wir uns dann wieder für die Rückfahrt im Elvis-Presley-beschallten Taxi-Shuttle.
Als alter Anti-Camping-Hase plagten mich schon Sorgen um die nassen Zelte, die bei Ankunft natürlich voll erfüllt wurden. Bis gut 21 Uhr abends mussten wir die Zelte neu spannen, mit Zewa-Wisch-und-Weg auslegen und uns in angenehm klamme Schlafsäcke hüllen. Zumindest vom Platz her waren wir mit 3 Zelten gut ausgestattet.
Nach dieser (man darf sie wohl unangenehm feucht bezeichnen) Nacht wollten wir eigentlich gegen 9 Uhr über den Brennerpass aufbrechen, aber mussten dann noch Brötchen besorgen. Auf der Suche nach dem Supermarkt durfte ich dann mein erstes ABS-Erlebnis verzeichnen - Adrenalingestärkt konnten wir dann endlich einige Semmeln ergattern, und nach dem Zusammenpacken aufbrechen. Natürlich musste ich mich wenige Sekunden vor Abfahrt nochmal genüßlich derart ins Auto schmeißen, dass mein Knie Bekanntschaft mit einer dort ansässigen Biene macht. Also flugs den Stachel entfernt, Männlichkeit gezeigt (sprich: Motzen, fluchen und wehleidig sein) und sich wieder erinnert, warum man Bienenstiche nicht toll findet. Also ist mein "13-Jahre-ohne-Bienenstich"-Rekord eingestellt und lässt den "15-Jahre-ohne-Kotzen"-Rekord auf weiter Flur allein.
Ohne Stau und Probleme konnten wir dann weitere 3 Mautstellen überwinden, Landschaft genießen und nach etwas kurvenreicher Auffahrt am Parkplatz der Pfunder Berge in Terenten eintreffen. Dort ließen wir uns an einem total klaren Bergfluß mit gigantischen Mutanten-Mörder-Fliegen nieder und stärkten uns für den Aufstieg. Kurz darauf traf der Rest der Familie (Joachim, Beate und Jonathan) ein - Joachim hatten wir den Ausflug überhaupt erst zu verdanken, der uns auf diese außergewöhnliche Geburtstagsfeier einlud. Auch an dieser Stelle nochmal einen herzlichen Dank für dieses Erlebnis!
Nun wurden die Wanderschuhe geschnürt, die Autos umgeladen und mit dem Blick in die grünen Berge begann der Anstieg. Zwar hatte ich etwas Reservationen, dass mein leicht angeschlagenes Rechtes Knie mir die Bergtour vermasseln könnte, aber die erste Zeit ging es doch sehr gut. Nur der gesamte Körper war bereits nach 5 Minuten Fussmarsch sehr angestrengt.
Der gesamte Aufstieg auf die Zielhöhe von 2300 Metern (Tiefrasthütte) sollte gut 3 Stunden dauern, so die Erfahrungen von Familie Koopman im Vorjahr, als diese Hütte als Geburtstagsfeierlokalität ausgesucht wurde. Das erste Drittel war auf einer breit ausgebauten, nur leicht steinigen Straße. Zur Linken und zur Rechten machten sich bereits Kühe breit, die Sonne knallte stark, aber nicht zu unangenehm, herab. Im zweiten Drittel wurde es dann schmaler und serpentiniger, und die Bewaldung wurde auch etwas dichter. Insgesamt hatte man aber immer einen weiten Ausblick auf die Berge, konnte auch irgendwann die Dolomiten erkennen.
Auf halber Strecke machten wir an einem kleinen Flussrinnsal halt, und füllten unsere Wasserflaschen mit frischem Quellwasser. Mit ca. 5-8 Grad war das Wasser seeeeehr erfrischend kalt, klar, aber auch etwas säuerlich. Dort kam uns dann auch ein Italiener entgegen, der in gebrochenem Denglisch erzählte, wo er wohne. Und uns wurde eine Weisheit vermittelt, die im Laufe der Reise immer wieder zur Sprache kam: "There: Dolomites! See? Rocks! There! Better! Dolomites better, Rocks!". Liest sich geschrieben total blöd, aber für die Beteiligten brachte es immer wieder ein Schmunzeln hervor.
Das letzte Drittel begann dann an einer kleinen Rasthütte. Diese wurde treffend als "Täuschhütte" tituliert, weil man dort bereits denkt man hätte es jetzt geschafft. Denn geschafft war man an der Stelle schon wirklich. Es war mittlerweile gut 17 Uhr, und wir gingen nun in großsteinigem Gebiet oberhalb der Waldgrenze weiter voran. Obwohl die ganze Gruppe nun doch die Kraftreserven anbrach, kamen wir gemeinsam gut voran und waren dann tatsächlich 3,5 Stunden nach Aufstieg an der Hütte angelangt. Mit knurrendem Magen und beinah gelähmten Füßen trennten wir uns von den Schuhen und erkundeten die an einem ca. 60-70m langen, kreisrunden Bergsee gelagerte Berghütte. Dort waren ca. 9 Schlafräume für insgesamt gut 80-90 Personen. Insgesamt waren schätzungsweise 25 Personen dort oben im Kessel der Berge. Nachdem wir einfachen Menschen die 12 Grad kalte Dusche genossen hatten, und Iron-Man David eine Runde im Bergsee geschwommen war, liessen wir uns mit Spagetti, Salat und Röstkartoffeln fürstlich bewirten.
Abschliessend sangen wir einige Berg- und Gemeindelieder und lernten noch den ein oder anderen Mitbergsteiger kennen, mussten dann aber auch zeitlich unserer regenerativer Energiegewinnung den Schlaf zollen. Denn der nächste Tag war gut vorbereitet mit einer Tagesbergtour zur Eidechsenspitze bei 2700m Höhe. Diese Tour wurde uns als Bergamateueren als einfachste ans Herz gelegt. Ja, klar.
Der nächste Morgen begann mit Frühstück und einer Standpauke des Bergwirtes, warum die von uns vorbereiteten Lunchpacks eher illegal sein. Doch auch sowas überstehen wir, und brachen gegen halb 10 unsere Tour an. Niemand musste sich mit allzuschweren Blasen aufmachen, auch Gliederschmerzen und Muskelkater blieben zuhause.
Die Tagestour schriftlich wiederzugeben dürfte unmöglich sein, gab es doch zu viele schöne Gespräche, Situationen und vor allem das Genießen der Umgebung. Bereits nach einer Stunde gelangen wir jedoch zu rutschigerem und steilen Pfad, und wir überlegten schon, die Tour in zwei Grüppchen fortzusetzen, da der Rückweg immer gefahrvoller erschien, je höher man kam. Doch wir allen bissen die Zähne zusammen, und brachten auch die Ängstlicheren unter uns in der Gruppe immer weiter voran. Schließlich kam es dann zu einer Bergsteilwand, die mit allen zur Verfügung stehenden Extremitäten bekraxelt werden sollte. Einige unserer Gruppe konnten das nur mit schlotternden Beinen und zittrigen Armen, und vermieden den Blick nach unten. Dennoch hielt keiner ein, und langsam und beschützt durch andere kam auch jeder an der Wand vorbei. Und diese Wand hat mir erst Geschmack auf mehr gemacht - war die gerade Wegstrecke für mich doch irgendwie sehr nach Sonntags-Spaziergang vorgekommen, so war dies nun richtiger Erlebnisurlaub mit Wagemut. Ich weiß nicht, wie ich es am besten beschriebe ohne großkotzig zu klingen, aber ich bin dort schon recht sicher und gut voran gekommen und habe meiner Emba, die eher weniger Trittsicherheit besaß (Schatzi, dieses Wort ist nur für *dich* :-), den Weg schützend bereitet. Zwar hätte ich gerne den Weg etwas verlassen und wäre was schneller und "gefährlicher" voran geschritten, aber so in der Gruppe den Weg zu beschreiten war auch ein wunderschönes Erlebnis.
Nachdem wir dies überstanden hatten war auch der Aufstieg zum Gipfelkreuz beinahe ein Leichtes. Tatsächlich erleichtert, nachdem die ganze Anstrengung gewichen war, ließen wir uns auf dem Wipfel nieder. Und da hat dann auch eher meine Höhenangst zugeschlagen: Hängend an einer Steilwand alles kein Problem; sobald mir aber der Halt zu den Seiten fehlt, kriege ich soviel Panik, dass ich mich setzen muss. Was auf dem Gipfel total störte waren die dutzenden Bienenähnlichen Fliegen und normale Fliegen. Nie hätte ich gedacht, dass in 2700m soviele Fliegen unterwegs waren! Der Gipfel war gut 40x20m breit, und schätzungsweise waren dort 20-30 Fliegen unterwegs. Und oberhalb von uns mehrere Paraglider, und sogar auch eine Krähe flog Ihre thermischen Runden.
Der Rückweg gestaltete sich wesentlich einfacher als befürchtet, und der erste Abstieg zeigte uns, dass es auch bergab nicht gerade leicht geht. Zwar ist der Weg abwärts für den Gesamt-Metabolismus nicht wirklich anstrengend, aber Knie und Füße werden auf die Probe gestellt. Groß war meine Freude auf den Rückweg über den Steilpaß, der auch diesmal von den anderen besser überwunden wurde. Entsprechende Fotos folgen!
Da wir auf dem Rückweg an zwei Bergseen vorbeikamen, wollten wir dort unsere Flaschen auffüllen. David und ich trauten uns als einzige den Abstieg zu, und für mich war dieser Abstieg der absolute Ausflugshöhepunkt. Ohne Wegmarkierung und mit wackelnden Steinen, teilweise hängend abzusteigen ist einfach ein großartiges Gefühl. Man konzentriert sich nur auf den Weg, schaltet total ab, und hat weder Sorgen noch Gedanken. Man ist irgendwie verbunden mit der Landschaft und geht darin auf. Ganz herrlich, und ich glaube David als Extrem-Grenzgänger hat es auch viel Spaß gemacht. Er erzählte mir, auch durchaus ganz alleine hier rumkraxeln zu wollen, was für mich aber dann doch etwas zu isoliert wäre.
Das Bergseewasser letztlich war leider nicht so klar wie es von der Ferne schien, aber wir füllten dennoch eine Flasche damit. Als wir wieder aufgestiegen waren tranken wir zwar eher zögerlich, denn die auf der Wasseroberfläche schwimmenden Tiere, zahlreiche Minikröten und "Flusen" machten schon etwas Bange. Aber was ein wahrer Bergsteiger ist, erfrischt sich auch daran.
Mit sehr schmerzenden Knien schafften wir dann auch tatsächlich den gesamten Rückweg ohne Vorkommnisse und kamen unverletzt und gleichzeitig in der Hütte an.
Was folgte war ein leckeres Abendessen und Gemeinsamkeit, einige Lieder auf dem Balkon und stark einsetzende Müdigkeit.
Am nächsten Tag ging es zeitig dem Parkplatz entgegen. Der Abstieg gestaltete sich dann für mich doch sehr schwer; eigentlich hatte ich mit einem Problem-Rechts-Knie gerechnet, aber da mein links Knie die Belastung wohl von vornerein abgenommen hat, war es genau dieses Knie, was dann Probleme machte. Vorstellen kann man sich das in etwa so, dass wenn das Knie ein Scharnier mit einer Schraube zwischen den Gelenken wäre, die Mutter der Schraube schräg versetzt ist und von der Seite ins Scharnier drückt. Genug der bildlichen Worte: Es hat mir weh getan.
Dank der zwei Wanderstöcke und der rücksichtigen Gemeinschaft haben wir es dann aber natürlich auch zum Parkplatz geschafft. Schnell wurde nach Umpacken des gesamten Gepeacks in einem Restaurant das Abschiedsessen eingenommen. Als Pizza-Fan hätte ich es beinahe geschafft meine erste italienische Pizza zu geniessen, aber die Pizzaofenöffnungszeit war leider erst einige Stunden später.
Am Parkplatz dort verabschiedeten sich die zwei Gruppen: Während Emba, Joachim, Beate, Jonathan und ich gen Heimat aufbrachen, machte sich das andere Grüppchen auf nach Kroatien, um dort noch eine Woche Strandurlaub zu genießen. Aber ich glaube, so ein purer Campingurlaub hat für mich einfach zu wenig Komfort.
Was nach der anstrengenden 9 Stunden Autofahrt zurückbleibt ist eine festgebrannte Erinnerung an ein erhebendes, glückliches und wunderschönes Wochenende mit meiner geliebten Emba und einer Großfamilie. Zwar werde ich mich sicher nicht zum euphorischen Bergurlauber bekehren, aber etwas Blut geleckt habe ich schon. Auch das Ski-Fieber hat mich aufgrund der Bergnähe wieder gepackt, und steht jetzt mit einem Ausrufe+Emba-Zeichen auf meiner To-Go-List. Wer weiß, vielleicht wird sich ein solcher Urlaub (mit gesteigertem Schwierigkeitsgrad, gell Davi!) bald wiederholen. Ich würde es jederzeit wieder tun wollen, trotz Abstiegsschmerzen.
Vielen, vielen Dank an Joachim und die Familie für diese Einladung!
(Bilder folgen, sobald wir alle gemeinsam die Bilder (gut 100!) durchgeschaut haben, denn vorher möchte auch ich mir die Bilder nicht ansehen)
Kommentare
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Ich habe dann mal das Drittel in der Mitte übersprungen, da mein Feierabend naht und man möchte ja noch was schaffen
Sehr schöner Bericht, ich musste doch teilweise hysterisch schmunzeln -> Der Rekord
Freut mich, dass ihr eine schöne Woche hattet, aber auch schön, dass ihr wieder da seid. gez. Mrs. Eigennutz
Sehr schöner Bericht, ich musste doch teilweise hysterisch schmunzeln -> Der Rekord
Freut mich, dass ihr eine schöne Woche hattet, aber auch schön, dass ihr wieder da seid. gez. Mrs. Eigennutz
ja... es waren durchaus stellen auf dem weg zur eidechsenspitze, wo ich mich gefragt habe, wie wir da wieder runter kommen sollen. immerhin ist bergauf klettern immer einfacher als bergab. aber zum zurückgehen war ich auch, auf jeden fall zu ehrgeizig und zu gespannt, wie es oben aussieht!
alles in allem war es ein absolut gelungenes wochenende und mit sicherheit nicht das letzte mal in den bergen (wobei ich ja schon sehr viel mehr bergerfahrung hatte, als mein geliebter klettermax, der mir manch einen schrecken eingejagt hat!
alles in allem war es ein absolut gelungenes wochenende und mit sicherheit nicht das letzte mal in den bergen (wobei ich ja schon sehr viel mehr bergerfahrung hatte, als mein geliebter klettermax, der mir manch einen schrecken eingejagt hat!
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