Per E-Mail kam heute eine Frage rein: "Garvin, hörst Du gerne Musik?"
Executive Summary: Nein. Aber ich würde, wenn man mich ließe.
In der Schule war alles noch so einfach. Man fuhr mit seinem Walkman im Schulbus, tauschte mit Klassenkameraden die Kassetten aus und sprach ständig über die coolste, neueste, härteste oder witzigste Musik. Oder hörte im Erdkundeunterricht den Mitschülern beim plaudern darüber zu. Und zuhause lief während den Hausaufgaben MTV mit den coolsten neuen Nirvana-Videos, über die man sich am nächsten Tag dann unterhalten konnte.
Und schon waren die Neunziger vorbei, und alles ändert sich. MTV und VIVA haben mir Musikvideos Anfang 2000 madig gemacht, da von einer Stunde TV-Programm ungefähr 15 Minuten Musik liefern. Man hörte den Jamba-Werbejingle am Tag öfter, als ein gutes Lied.
Meine eigene Musiksammlung kenne ich inzwischen in- und auswendig, und packe sie höchstens mal aus wenn ich neue Handy-Klingeltöne brauche. Radio wird auf der Arbeit nicht mehr gehört, seit die Werbeunterbrechungen nur noch aus psychoakkustisch hervorgehobenen Frequenzbändern bestehen und man öfter doofe Radiomoderatoren bei schlechter Stand-Up-Comedy bzw. Comedy-Programmen mit Promi-Imitationsstimmen (Poldi...) hören muss als Musik. Denn das, was von der Musik übrig bleibt ist eine Heavy Rotation von 20 Musiktiteln in der Woche.
Während der Berufspendelei gucke ich TV-Serien, höre Podcasts, lese Bücher. Die wenige aktuelle Musik, die ich aus TV-Berieselung mitbekomme höre ich nur ein paar Mal, dann habe ich genug, weil ich wiederholenden Content nicht ertragen kann - egal wie schön ein Lied auch ist, öfter als 15-20mal kann ich es innerhalb von 5 Jahren nicht gewollt hören.
Was bleibt also in den Modernen Zehnern (ab wann lassen wir 2000 eigentlich wieder weg?) übrig? Richtig, Internetradio.
Und ich hasse Internetradio, aus mehreren Gründen.
Hauptsächlich ist da die stark schwankende Qualität und Normalisierung der Lieder (I'm looking at you, Youtube and Grooveshark!). Mal hört man minderwertig geripptes Zeug, mal tonverzerrt, und meistens total abstruse Musik von Künstlern, die man gerne wieder direkt vergessen würde. Mein 'Web of Trust' mit idempotentischer Geschmacksverteilung ist leider non-existent, zumal es einfach zu viele schwankende Musikplattformen gibt die gerade en vogue sind, bevor sie von der Musikindustrie in Grund und Boden geklagt wurden.
Was von der Musik nach GEMA-Bereinigung im Internet zurückbleibt ist ein trauriges Rinnsal an nicht für mich gemachter Musik; die Filtermechanismen die wirklich auf mich geeignetes Material produzieren müssen wohl noch gefunden werden, da mein Geschmack von Slipknot bis zu Robbie Williams reicht.
Ganz abgesehen davon ist Internetradio in Deutschland finanziell unattraktiv (I'm looking at you, Simfy - 10 Euro im Monat?). Wofür zahle ich eigentlich noch gleich GEZ, wenn ich für Musikkonsum extra zur Kasse gebeten werde? Und zwischen gefühlten 7 Milliarden Internetradio-Streams mal einen vernünftigen herauszufinden klingt für mich mehr nach Arbeit als nach Entspannung.
In den letzten 10 Jahren habe ich vermutlich rund 300 Lieder gehört. Ich wäre durchaus bereit, mich da wieder auf etwas neues einzulassen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Die richtige Antwort auf die Frage müsste aber daher wohl lauten: "Nicht gerne genug, um dafür die Schmerzen in Kauf zu nehmen".
taeglichanders am : und was hörst Du so?
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