Als ich vor Urzeiten
Half Life 2 gespielt habe, war ich ordentlich enttäuscht. Der Nachfolger des Kultspiels wirkte an vielen Ecken langweilig linear, die Story fühlte sich sehr aus den Fingern gesogen an. Das Gamefeeling vom ersten Teil kam einfach nicht rüber, es fehlte mir an sarkastischem Humor, besonderen Gameplay-Ideen und erinnerungswürdigen Leveldesigns. Auch fühlte sich durch fehlendes
Head bobbing, fehlendem eigenen Schatten, Händen oder Füßen das ganze Spielerlebnis etwas merkwürdig an, ich fand die Welt etwas unglaubwürdig.
All das war Grund dafür, dass ich
Half Life 2: Episode One überhaupt keine Aufmerksamkeit schenkte. Ich ging davon aus, das ganze sei eine Art Levelpack, das ganz dezent die offene Story des zweiten Teils fortführt und hauptsächlich etwas Geld in die Valve-Kassen spülen sollte. Die kürzere Entwicklungszeit und die kurzen Spielzeit kreidete ich dem Spiel schwarz an.
Nachdem Bioshock (bis heute) für mich unspielbar ist, und ich aber Lust auf einen Shooter hatte, habe ich mir über Steam Episode One besorgt. Und war, vor allem wegen des schon erwähnt genialen Kommentarmodus', sehr überrascht. Episode One fühlte sich an vielen Stellen weitaus "richtiger" an als Half-Life 2, die Story schien mir erstmals sinnvoll durchdacht/weitergeführt. Vor allem aber die Raffung der Spielzeit tat dem Spiel sehr gut, so dass ich die grob 6-7 Spielstunden überraschend genossen habe.
Da führte dann auch kein Weg an
Episode Two vorbei. Und das hat mich weggehauen: Die Levels sind innovativ, die einzelnen Storyabschnitte packend, temporeich und gut durchdacht. Zahlreiche Charaktere pflastern den Weg, man wird förmlich in das Spiel aufgesogen. Endlich wieder Narration in Höchstform, wie man es von Half Life 1 so gut und genre-umstülpend in Erinnerung hatte. Episode 2 ist für mich das Spiel, das Half-Life 2 schon hätte sein wollen.
Es gibt so viele Highlights in Episode 2, die das ganze Spiel zu einem großen Erlebnis werden lassen. Der Schwierigkeitsgrad (in
Normal) ist recht ertragbar, auch wenn die Quicksaves es schon beinahe zu einfach werden lassen. Vor allem aber wird einem in Episode 2 eine umwerfende Grafikpracht geboten. Ich hatte die ganze Zeit eine unveränderte Source-Engine von Half-Life 2 erwartet, aber daran wurde inzwischen fast alles umgekrempelt.
Detailierte Shader, hochauflösende Texturen - und vor allem ein Beleuchtungsmodell, das ich so gut in sonst noch keinem Spiel gesehen habe. Die Ausblicke in ferne Levelabschnitte, die einem in HDR-Pracht geboten haben, sind einfach erhebend und lassen spüren, dass die Entwickler tatsächlich einen interaktiven Film erschaffen wollten. Klar ist Episode 2 auch immer noch ein Shooter, aber das fast zum kleinsten Teil. Der Rest ist einfach miterlebte, gefühlte Story.
Die detailierten Gesichtstexturen und Zwischenanimationen wirken noch lebendiger, wenn man die überarbeitete Taschenlampe auspackt. Die wirft erstmals realistische Soft-Shadows, so dass ich das ganze Spiel über immer wieder die Lampe ein/ausgeschaltet habe, einfach, weil es so geil aussieht. Der obige Screenshot stammt 1:1 aus dem Spiel, das ich in 1600x1050 (ohne FSAA) und ansonsten mit vollen Details flüssig (~30-35fps) auf meinem System (GF 7650GT, Core2Duo 6200) spielen konnte.
Wer die Episodes aus ähnlichen Gründen wie ich bisher verschmäht hat, sollte sich nochmal überlegen, ob er nicht auch etwas nachzuholen hat.